Die Bischofskapelle – Restaurierung und Umgestaltung der Grablege

Im Nordquerhaus des Merseburger Domes befindet sich die sogenannte Bischofskapelle – ein Ort der Memoria und des Totengedenkens.

Von 1466 bis 1515 war Thilo von Trotha Bischof in Merseburg und lenkte am Vorabend der Reformation fast 50 Jahre die Geschicke des Bistums. Thilo baute wirtschaftlich die Macht des Hochstifts immer weiter aus und formte Dom, Kapitelhaus und Bischofsresidenz nach seinen Vorstellungen. An der Nordseite des Doms wurde unter seiner Herrschaft das spätgotische Schloss angebaut und der Dom gotisch überformt. Endlich sollten Dom und Bischofsresidenz auch den Repräsentationsansprüchen des Hochstifts genügen. In der Amtszeit des Bischofs und seines Nachfolgers wurden auch herausragende Kunstwerke für den Dom geschaffen, die heute noch im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.

Schloss und Dom zu Merseburg

Ein Ort der Memoria und wie wir ihn vorfanden

Das Nordquerhaus des Domes Merseburg, die sogenannte Bischofskapelle als Ort der Memoria und des Totengedenkens, glich eher einem tristen Durchgangsraum zu Krypta und Schlosshof.

Die Putzoberflächen, insbesondere in den unteren Bereichen, waren aufgrund einer erhöhten Salz- und Feuchtebelastung stark geschädigt ebenso wie die Sandsteinplatten, die zudem mechanische Beschädigungen aufwiesen. Die Abdeckung der ehemaligen Heizschächte mit Holzbrettern und Gittern wirkte unschön. Die Epitaphe waren von einer schwarzen Kruste überzogen.

Bischofskapelle im Dom zu Merseburg vor Sanierung

Restaurierung und Sanierung – Schritt für Schritt

Zuerst wurden Raumoberflächen wieder instandgesetzt, Putze und Kalkfarbanstrich erneuert. Der extrem geschädigte Sandsteinbelag wurde ausgetauscht und die einstufige Fußbodenabsenkung des 19. Jahrhunderts rückgängig gemacht.

Die Epitaphien

Dann wendeten wir uns den Epitaphen zu. Die kupfernen Tafeln waren ursprünglich vergoldet, zeigten sich aber in einer schwarzen Fassung. Vermutlich in den 1960er Jahren wurde ein Öl-Paraffin-Graphit-Gemisch aufgebracht. Folglich war die schwarze Oberfläche abzunehmen und die Vergoldung so weit wie möglich freizulegen.

Bald folgte eine willkommene Überraschung: Das wertvolle, aus der weltberühmten Nürnberger Gießerei Peter Vischer d.Ä. stammende Epitaph Thilo von Trothas war zusätzlich mit einer bräunlich spröden Schicht – wahrscheinlich aus Zaponlack – konserviert. Nachdem der schwarze Überzug angelöst und in mehreren Arbeitsgängen ausgedünnt, dann auch die bräunliche Schicht mittels Skalpell abgenommen war, kam eine fast vollständig erhaltene Feuervergoldung zum Vorschein. Diese soll tatsächlich die originale Vergoldung sein, welche auch nicht etwa durch Blattgoldauflagen ergänzt wurde.

Epitaph Thilo von Trotha während der Freilegung
Epitaph Thilo von Trotha nach Reinigung

Die Supraporte – Malerei auf Stein über dem Nordportal

Nach Aufwertung der Epitaphe stellte sich der Restaurierungsbedarf an anderer Stelle umso gravierender dar.

Wenden wir uns zunächst der Malerei auf Stein über dem Nordportal – der Supraporte – zu. Das obere Bildfeld zeigt eine Darstellung der "Bekehrung des ungläubigen Thomas", in den beiden unteren Bildfeldern werden die Wappen des Bistums Merseburg und der Familie von Trotha dargestellt.

Der überkommene Bestand wurde als fragmentierte, einst vollflächige Übermalung eines älteren Wandgemäldes identifiziert. Unter dieser zu ca. 35 Prozent erhaltenen Neufassung konnten Reste der als ursprünglich angesehenen Malerei nachgewiesen werden.

Die Befunduntersuchung legt nahe, dass sich die Übermalung an der Erstfassung orientierte, jedoch die ursprüngliche Ikonographie "Christus mit Petrus auf dem Meere" falsch gedeutet und mit einer Szene des ungläubigen Jüngers Thomas durch den Münchner Maler Leopold Weinmayer 1886 "rekonstruiert" wurde.

Nordportal der Bischofskapelle mit Supraporte und Modell eines Leuchters

Die Übermalung Weinmayers war stark von akuter Malschichtablösung betroffen, mit der auch die verdeckten Reste der ersten Malerei verloren gingen. Diese Schädigung hatte bereits in der Vergangenheit, wahrscheinlich den 1950er Jahren, eine Restaurierungsmaßnahme erfordert, bei der großflächig vorhandene Fehlstellen mit Lasuren eingetönt wurden. Diese Lasurretuschen waren durch Abkreiden und alterungsbedingte Farbveränderungen beeinträchtigt. Verluste, die seitdem auftraten, zeigten sich durch die offen liegende weiße Grundierung. Die sichtbare Rissbildung ist älterer Natur und weist nicht auf statische Probleme hin. Zusätzlich beeinträchtigten Staubauflagerung und Spinnenweben das Erscheinungsbild.

Aufgrund des dramatischen Zustands der Malschicht wurden in einem ersten Reinigungsschritt mit Pinsel zahlreiche Spinnenweben abgenommen, soweit dies ohne Berührung der Malschicht möglich war. Danach erfolgte eine Malschichtfestigung. Die Applikation mit Japanpapier erwies sich als nicht praktikabel. Im Zuge der Festigung konnten anhaftende Spinnenwebreste und ein gewisses Maß an Staub abgenommen werden. In einem zweiten Reinigungsschritt wurde eine weitere Reduzierung von Auflagerungen erreicht. Offene Risse und Fugenbereiche wurden geschlossen. Anschließend erfolgte eine nochmalige Nachfestigung der besonders gefährdet eingeschätzten Malschichtbereiche. Abschließend wurden Retuschen mit Aquarellfarben ausgeführt, freiliegende Grundierungen mit Lasuren eingetönt, Kleinstfehlstellen im Farbton ausgetüpfelt.

Malschichtablösungen
Reinigung der Malerei

Unter Vermeidung von freien Interpretationen wurde angestrebt, das Vorhandene zugunsten einer größtmöglichen Lesbarkeit mit Retusche zu unterstützen, ohne den fragmentierten Charakter der Malerei ganz zu verklären.

Supraporte vor Bearbeitung
Supraporte nach Bearbeitung

Vom Licht und der Neuverortung der Radkrone

Zunächst war geplant, von der nördlichen Chorschranke aus den Raum leicht aufzuhellen und einige Objekte bewusst zu inszenieren. Das Raumlicht sollte von einem neuen Leuchter in Anlehnung an die bedeutende Radkrone in der Vorhalle ausgehen. Der neue Leuchter sollte Bezug auf die Radkrone nehmen, durfte nicht zu klein sein, sich aber auch nicht zu wichtig nehmen, um den Kunstschätzen keine Konkurrenz zu machen.

Anhand von Materialstudien und Modell wurden Gestaltungsvarianten durchgespielt. Die favorisierte Idee war, außen ein wertiges Material in Form eines dunklen Metallrings mit Durchbrüchen einzusetzen, mittels einer versilberten Fläche den Glanz des Leuchters jedoch nach innen zu entwickeln. Letztlich wollten wir eine endgültige Entscheidung noch nicht fällen, da bei allem Glanz der Idee der neue Radleuchter nicht nur für das extrem knappe Budget zu groß gewesen wäre – er schien auch als Geste unangemessen. Um eine gute Entscheidung treffen zu können, nahmen wir uns eine Pause, in der sich alle Überlegungen setzen sollten. Und so wenden wir uns vorerst dem nächsten Projekt zu: der Restaurierung der Radkrone.

Der Leuchter wurde 1857 im sogenannten weißen Turm wieder aufgefunden, restauriert und im Hohen Chor aufgehängt. Vermutlich war er für diesen Ort oder die Bischofskapelle gefertigt worden. Seit 1914 schmückte er die Vorhalle des Domes.

Die Leuchterkrone wurde um 1510/20, also auch zu Thilos Zeiten, gefertigt. Ein schmiedeeisernes Gerüst trägt zwei große, konzentrische Reifen und einen bekrönenden kleinen Ring aus durchbrochenen, vergoldeten Kupferblechen. An den Schmuckblechen sind insgesamt 40 Kerzen befestigt. Diese Symbolzahl (40 Tage fastete Christus in der Wüste) gliedert sich in weitere Symbolik: der oberste Ring trägt vier Kerzen (Propheten, Evangelisten, Jahreszeiten), der mittlere zwölf (Apostel, Monate) und der unterste Ring 24 Kerzen (Zahl der Ältesten beim Jüngsten Gericht). Unter den Kerzen des untersten Reifens hängen Wappenschilde mit den Wappen der Merseburger Bischöfe. Die Schmuckbleche sind zwischen den Kerzen jeweils symmetrisch gestaltet, sie bestehen aus Blattranken, in die Delphine und menschliche Figürchen eingearbeitet sind. In der Bekrönung, die aus einem kleinen Reifen mit Baldachin gebildet wird, steht eine hölzerne Doppelfigur. Es sind die Dompatrone Johannes der Täufer und Laurentius.

Die Radkrone mit hölzerner Doppelfigur der Dompatrone Johannes der Täufer und Laurentius in der Vorhalle des Domes vor Bearbeitung
Doppelfigur der Dompatrone Johannes der Täufer und Laurentius

Die Radkrone wurde abgenommen, die Metallbestandteile wurden an eine Berliner Firma zur Restaurierung übergeben. Die hölzerne Doppelfigur – das Werk eines Leipziger Meisters – wurde vom Restaurator der Vereinigten Domstifter, Friedhelm Wittchen, bearbeitet. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass das ungewöhnlich schöne Stück einschließlich Fassung vollständig original erhalten ist. So beschränkten sich die Arbeiten auf eine vorsichtige Reinigung mit Terpentin.

Nach Abschluss der Voruntersuchungen wurden zunächst Reinigungsproben angelegt. Aufgrund der dicken Schmutzschicht sind die Korrosionsprodukte der Kupferbleche über die Vergoldung "gewachsen", so dass auch nach dem Abstauben mit Pinseln und Bürstchen der mattgraue, eher ungepflegte Charakter weitestgehend bestehen blieb. Aus diesem Grund wurden Reinigungstests mit einem Komplexbildner durchgeführt und die Reinigung erfolgte mit in Komplexon getränkten Wattestäbchen, anschließend wurde mit Wasser nachgereinigt.

Alle Risse und Brüche wurden gesichert, ebenso wie die Fragmente, mechanische Verbindungen mittels Blechhinterlegungen und Vernietungen wieder hergestellt und schließlich Stellen, an denen Gold verloren gegangen ist, mit Neutralretuschen geschlossen.

Übrigens wurde auch kurz erwogen, den Leuchter zu elektrifizieren, um Verschmutzungen durch Wachsreste zu vermeiden. Stattdessen kommen nun einfache Tropfschalen aus transparentem Kunststoff unterhalb der Kerzen zum Einsatz.

Während des Restaurierungsprozesses reifte die Überzeugung, dass der bessere Ort zur Aufhängung der Radkrone im Dom nicht die Vorhalle, sondern die Bischofskapelle sei. Die Vorhalle wirkt ohne Leuchter architektonisch aufgewertet, die Deckengestaltung kommt besser zur Geltung. Gleichzeitig fanden wir mit dem aus der Zeit Thilos stammenden Leuchter das richtigen Licht für die Bischofskapelle. Dieses wurde nur um eine zusätzliche Aufhellung der Treppenstufen ergänzt.

Zudem war der Umgang mit dem natürlichem Licht zu betrachten. Ausgangslage war der helle, blankverglaste Dom, dessen farbigen Fenster bis auf mittelalterliche Medaillonscheiben in der Vorhalle vollständig verloren gegangen waren. Nach dem Krieg wurden die Chorfenster durch Charles Crodel neu gestaltet. Diese äußerst qualitätsvollen Fenster brechen das Licht im vorderen Bereich. Da der Rest des Domes aber blank verglast ist, wirkt der Chor zu dunkel. Folglich war ein Ziel, das einfallende Licht im Dom zu dämpfen. Dazu fand unter dem Titel "Glanzlichter" eine Ausstellung der Vereinigten Domstifter in Naumburg mit Korrespondenzstandorten in Schulpforta, Memleben, Merseburg und Freyburg/Saale statt.

Im Vorfeld fertigte Thomas Kuzio Entwürfe für den Merseburger Dom, die von Derix Glasstudios ausgeführt wurden. Das Ostfenster der Bischofskapelle nimmt Bezug auf die arabesken Formen der Radkrone. Das im Zuge der Ausstellung entstandene Fenster erhält aufgrund der umliegenden Blankverglasungen viel Auflicht und wurde deshalb mit Farbe und Schwarzlot auf Opalglas gemalt. Der Raum gewinnt: er schließt sich optisch nach Osten; das einfallende Tageslicht wird gedämpft.

Restaurierte Radkrone in der Bischofskapelle des Merseburger Domes

Konservierung und Retusche der nördlichen Chorschranke

Als weitere Aufgabe stand die Konservierung und Retusche der nördlichen Chorschranke an. Hierzu wurde bereits 2006/2007 eine Diplomarbeit zur Untersuchung von der HfBK Dresden durchgeführt. Darauf aufbauend haben Restauratorinnen die Ergebnisse der Arbeit umgesetzt.

Die steinerne Substanz der Chorschranke entstand um 1230. Im Zuge der Ausgestaltung des Nordquerhauses zur Grabkapelle Bischof Thilos wurde die Nordseite der Chorschranke mit einer Abfolge der Bildnisse aller Merseburger Bischöfe bemalt. In Ebene 1 sind zwischen den Bischofsdarstellungen mit Beischriften in den schmaleren Nischen Engel ohne Inschrift dargestellt. Die Nischen der Ebene 2 enthalten jeweils die Bilder zweier Bischöfe sowie Inschriften mit Nummerierung, Namen und Dauer der jeweiligen Amtszeit. Von 1883 bis 1887 wurde die Chorschranke vollständig übermalt. 1937, 1953 und 1955 fanden weitere konservatorische Eingriffe statt, die auf die Beseitigung von Fehlstellen und Retuschen zielten.

Die nördlichen Chorschranken in der Bischofskapelle vor Bearbeitung

Vor den Arbeiten waren Malschichten, insbesondere im westlichen unteren Bereich, stark schadhaft bis zerstört; die Fugen waren ausgebrochen oder zeichneten sich sehr stark ab. Insgesamt litt die Ablesbarkeit des Gesamtbildes deutlich. Hauptschadensursache war die mit Lüftungsöffnungen direkt unterhalb der Chorschranke befindliche Heizung, die später eliminiert wurde.

Lose Malschichten wurden gefestigt, Fugen hinterfüllt und wieder hergestellt, Fehlstellen retuschiert. Als Ergebnis konnte eine gute Ablesbarkeit der Gesamtaussage erzielt und die Architektur insgesamt beruhigt werden.

Die Bischofskapelle – ein besonderer Ort

Abschließend sollte die Kapelle als Grablege der Bischöfe mittels eines Gitters auch vom Kirchenschiff aus wahrnehmbar als besonderer Ort gestaltet werden. Die Wappen der Bischöfe Thilo von Trotha, Adolf von Anhalt und des Hochstifts waren in den Gestaltungsentwurf einzuarbeiten. Gleichzeitig war aber Zurückhaltung gefragt, um einen Übergang von der Pracht der Grablege zum Mittelschiff herzustellen.

Mit dieser Aufgabe wurde der Metallgestalter Jörg-Tilmann Hinz beauftragt. Auch die Grabumschrift Thietmars stammt von ihm. Nach eingehender Diskussion seiner neun eingereichten Entwürfe fiel die Entscheidung zugunsten einer schlichten Variante mit Einarbeitung der Wappen. Derzeit steht eine Finanzierung noch aus.









Mit der Restaurierung der Bischofskapelle ist ein Teil der großartigen Geschichte des Merseburger Domes wieder erlebbarer geworden. Prof. Regine Hartkopf
Entwurf des Metallgestalters Jörg-Tilmann Hinz für ein Gitter am Übergang zur Bischofskapelle (bisher nicht realisiert)
Bischofskapelle nach Osten: gereinigte Epitaphe und Malerei in Supraporte, restaurierter Radleuchter, Neugestaltung des Thietmargrabes und Wiederaufstellung des Panistenaltares sowie das von Thomas Kuzio gestaltete Fenster
Die Bischofskapelle vor Sanierung


Ich lade ein, den Dom zu besuchen und sich das Ergebnis der Restaurierungen vor Ort anzusehen. Prof. Regine Hartkopf